Hans D. Smoliner

Johanna

Gedichte
mit Zeichnungen von Peter Laminger

Softcover, 24 x 21cm
1991
45 Seiten
10 €


Arbeit als Ausgangspunkt, geboren, gefühlt und leidenschaftlich durchgeführt im Namen Johannas: Ein Name, der sich im Fleisch, im Wort verwirklicht und unter uns arbeitet - Prolog - ein Name, der Haut und Traum ist, spürbar, riechbar, greifbar, und Johanna sagt: «Komm! Und nimm dir das Wasser der Liebe umsonst!» - Epilog - aber nicht den eigenen Körper, die Herberge der Sexualität, der Sinnlichkeit, der projizierten und erlittenen Gier, der verleugneten Mutterschaft.

Das Fleisch (IM ANFANG, der hier vorgestellten Arbeit und Welt) entspringt leichtfließend aus der biblischen Erinnerung; das Wort wiegt sich wellenförmig zwischen Geburt, Pubertät, dem ersten Liebeskummer und der Tagnacht, verschmolzen durch Beobachtungen, Vorstellungen und Bilder einer genormten Kultur, die im Dienste des Lebens, nach der täglichen Verzweiflung schmecken; und eine Zeit, die normalerweise Arbeit bedeutet, die eine Zeitbrücke zwischen dem Morgen und der Nacht ist, ausgefüllt mit Alltagsgesten, und schließlich ein Wechsel zwischen Hingabe und Aufbereitung wird, in dem sich das Produkt konkretisiert: Das Geld, das sowohl Morgen als auch Gestern, letztlich KONTINUUM ist.

Und so verschwindet der Freiraum JOHANNAS zwischen den Zeiten, weil sie im Gleichklang sind, existieren sie, zeitenweise aber nicht ewig, ewig ist nur das Hier und Jetzt.

Und so bewegt sich Johanna in engen künstlichen Räumen, bis ihr Kulturraum schließlich de-situativ und atopisch wird.

Und JOHANNA ist der Fluch des Fleisches, der das Weib plagt, ist Schicksal, Spiegel der Welt, der sich durch die Fähigkeit des Dichters in Situationen, Symbole, Embleme verwandelt: die auch atopisch das Universum streifen. Es gibt viele Männer und nur eine Johanna, und alle getrieben vom Wunsch, Illusion und Enttäuschung, dringen in sie ein, um ihre eigene männliche Existenz auszugleichen, um ihren Lebensdurst zu stillen: Johanna ist keine Hülle, sondern Person, jeden Tag gefragt und als verschwenderischer spätreifer Brunnen gezeichnet.

Ich sage «gezeichnet», weil nicht einmal der Autor selbst frei von den bürgerlichen Konventionen ist. Aber der Dichter - Hans D. Smoliner - wertet weder sein Geschöpf noch die männlichen Gelüste (möglicherweise urteilt der Leser, indem er sie vorschnell mit den eigenen soziokulturellen Aussprüchen vergleicht): Im Text wird dies rein als poetisches Material interpretiert und bestimmt.

Hans D. Smoliner benutzt eine Partitur, erfindet einen Tagesablauf entstehenden Rhythmus, den er in jeder der einzelnen Kompositionen spielerisch pflegt; er findet dennoch einen Kontrapunkt, der sich geschickt im schmerzenden Wahn auflöst: Es ist der sich wiederholende Teil dieses Werkes: Die Schminke ist Verkleidung, ist Täuschung ihrer selbst und der anderen, ist Erneuerung, ist Vielfältigkeit, ist Theater.

Und die Johanna von Smoliner spielt ein allzu menschliches Theater, ihr eigenes Schicksal, für ihre Klienten wertet sie sich auf, für jeden von ihnen erneuert sie sich, macht ihnen und sich selbst falsche Hoffnungen, und lebt vom Schminken / vom Eintauschen ihrer Lebensliebe in Geld. Sowie umgekehrt ihre Kunden. Die Grundbestandteile sind freudianisch, die ausführende Hand ist jungianisch.

Die Form als Beispiel für trockene Poesie, reich an Gestalten, an Anmerkungen; eine Landschaft, ein erzählender Film; und cinematographisch sind die zahlreichen Bilder des Inhaltes.

Im Text verschwindet die Moral durch eine höfliche, leicht progressive Überschreitung des ausgedehnten Horizontes der Humanität, durchzogen mit Ironie, mit Melancholie, gehalten durch die antike und immer gegenwärtige PIETAT. Und daraus entsteht Poesie.

Milo Polles